1. Siedlungsgebiete der Germanen im I. Jh. n.Chr.
Die Ausbreitung der germanischen Stämme nach Süden begann im I.Jh. n.Chr. Diese Ausbreitung geschah wegen der waschenden Bevölkerungsstärke und Klimaverschlechterung.
Im I. Jh. n.Chr. erreichten die Germanen im Westen den Rhein und im Osten die Oder. Um diese Zeit haben sich zwei Gruppen von germanischen Stämmen herausgebildet.
1. Die germanischen Stämme in Skandinavien.
2. Die kontinentalen germanischen Stämme.
Etwas später setzten sich die Goten, Burgunder und Vandalen in Bewegung. Sie siedelten sich im Mündungsgebiet der Weichsel an.
Auf diese Weise begann man auf den Kontinent zwei große Gruppen zu unterscheiden.
- Ostgermanen und Westgermanen
Die ostgermanischen Sprachen sind ausgestorben. Nur Gotisch ist in schriftlicher Überlieferung zu uns gekommen.
2. Schicksale der germanischen Stammesdialekte
Vor der Großen Völkerwanderung (im I. Jh. n.Chr.) unterscheidet man folgende germanischen Stämme:
1. In Skandinavien leben die Nordgermanen — Skandinaven.
2. Östlich von der Oder (an der unteren Weichsel) leben die Goten, Burgunder und Vandalen, d.h. Ostgermanen.
3. Im Raum von der Elbe bis zum Rhein leben die Westgermanen.
Zu den westgermanischen gehören 3 große Stämmesverbänden (nach O.Moskalskaja):
Ingwäonen | 1. An der Nordseeküste leben Friesen, Jütten, Angeln und Sachsen. |
Istwäonen | 2. Zwischen dem Rhein und Weser leben die Bataver, Brukteler und Chaten u.a. Rhein-Weser Germanen (d.h. fränkische Stämme) |
Herminonen | An der unteren Elbe leben die Sueben (Sweben), Markomannen, Hermunduren. |
Aus den Sprachen der skandinavischen Stämme entwickelten sich später Norwegisch, Dänisch, Schwedisch u.a.
Aus den Sprachen der ostgermanischen Stämme entwickelten sich später Gotisch, Burgundisch und Vandalisch.
Aus den Sprachen der westgermanischen Stämme entwickelten sich später Deutsch, Englisch, Niederländisch u.a. .
Die westgermanischen Stämme schlossen sich im III. Jh. n.Chr. in einige große Stammesverbände zusammen:
1. Die Sueben und einige Rhein-Weser-Germanen (Istwäonen) gründeten den Großstamm Alemannen.
2. Die übrigen Rhein-Weser-Germanen bildeten einen mächtigen Stammesverband der Franken — (Selbstbenennung Franci).
3. Die Nordseegermanen bildeten den Großstamm der Sachsen.
4. Die Friesen und Hermonduren vereinigten sich unter den Namen Thüringer.
5. Die Chaten bildeten den Großstamm Hessen.
6. Die Markomannen gründeten den Großstamm Bayern.
Die Stammessprachen der Alemannen, Bayern, Franken, Thüringer und Hessen bildeten später die Grundlagen der althochdeutschen Sprache.
Die deutsche Nationalität ist aus diesen großen Stammesverbänden im VI. Jh. n.Chr. zusammengewachsen.
3. Die Herausbildung der deutschen Nationalität. Gründung des ostfränkischen Reiches.
Die deutsche Nationalität ist aus den westgermanischen Großstämmen der Franken, Bayern, Alemannen, Thüringer und Sachsen im Zeitraum vom 5./6. Jh. bis zur Mitte des 11. Jh. zusammengewachsen.
Eine führende Rolle bei der Herausbildung der deutschen Nationalität spielten auf der Anfangsstufe dieses Prozesses die Franken. Zu einem mächtigen Stammesverband vereint unter Anführung des salischen Königs Chlodwig aus dem Geschlecht der Merowinger, der durch Mord und List die übrigen salischen und ripuarischen Stammesoberhäupter beseitigte und das gesamte von Franken beherrschte Gebiet in seine Gewalt brachte, eroberten die Franken die ehemalige römische Provinz Gallien (das heutige Frankreich) und gründeten 486 das Frankenreich, das die alten fränkischen Territorien östlich des Rheins und das neueroberte Gallien vereinigte. Hier beginnt eine intensive Entwicklung der feudalen Gesellschaft. Es entsteht die Klasse der Feudalherren, die den Grund und Boden in ihren Händen konzentriert. Die feudale Grundherrschaft führt zur Umwandlung der freien Bauern in abhängige Feudalbauern. Die Macht fränkischer Könige wird durch die Unterstützung der römischen Kirche gestärkt, da Chlodwig und der fränkische Adel 496 das Christentum annehmen. Die Sprache des katholischen Gottesdienstes, das Latein, wird auch zur Amtssprache des Staates.
Das Frankenreich besteht bis zur Mitte des 9. Jh. Es erlebt seine Blütezeit in der spätfränkischer Zeit, unter Karl dem Großen aus dem Geschlecht der Karolinger (742–814). Das Frankenreich breitet sich auf das Territorium vieler europäischer Länder aus.
Die Zusammenfassung der Franken, Alemannen, Bayern, Thüringer und Sachsen im fränkischen Großreich legte den Grundstein zu ihrem Zusammenwachsen zu einer Nationalität. Doch konnte dieser Prozeß im Rahmen des Frankenreiches nicht abgeschlossen werden. Das Frankenreich war ein mehrsprachiger, ethnisch bunter, lockerer Staat, der keine einheitliche ökonomische Basis besaß und schwach zentralisiert war.
Ein entscheidender Schritt zur endgültigen Herausbildung der deutschen Nationalität war die Aufteilung des karolingischen Großreiches unter den Enkeln Karls des Großen, die Trennung seines westlichen (französischen) Teils von dem östlichen (deutschen) und die Abgrenzung in Sprachgruppen.
Durch den Vertrag von Verdun 843 entstanden drei Reiche:
1. Karl der Kahle erhielt das Westfränkische Reich (das spätere Frankreich);
2. Ludwig der Deutsche erhielt das Ostfränkische Reich (das spätere Deutschland);
3. Lothar erhielt das Mittelreich (Italien und das Gebiet zwischen dem Rhein, der Scheide und der Rhône, das später nach ihm Lotharingen benannt wurde).
Von der sprachlichen Teilung, die sich nach der Aufspaltung des fränkischen Großreiches vollzogen hatte, gibt eine Vorstellung eines der frühestens Schriftdenkmäler der deutschen Sprache, die sog. „Straßburger Eide" (842). Der Text des Eides wurde in lateinischer Sprache abgefaßt. Damit aber beide Heere den Eid verstehen konnten, mußte er in zwei heimische Sprachen (romanisch, d. h. altfranzösisch und rheinfränkisch — eine althochdeutsche Mundart) übertragen werden, und die beiden Könige leisteten den Eid vor den Heeren in der Landessprache des anderen.
Das ostfränkische Reich, das nach der Teilung des karolingischen Großreiches entstanden war, war dar Ausgangspunkt zur Entstehung eines deutschen Staates. Im 10./11. Jh. Er wuchs auf seiner Grundlage ein starkes Königtum.
Die Zusammenschließung der Franken, Bayern, Alemannen, Thüringer, Sachsen, Friesen im Rahmen eines Feudalstaates und das Fortbestehen dieses mehr oder weniger zentralisierten Staates trugen dazu bei, dass sich bei den Angehörigen der einzelnen aus den Großstämmen der vorausgehenden Zeit erwachsenen Völkerschaften neben dem sog. „Stammesbewußtsein" allmählich die Anfänge des „Gemeinschaftsbewußtseins", eines Zusammengehörigkeitsgefühls entwickelten, dass sie sich ihrer Zugehörigkeit zu e i n e r Nationalität immer mehr bewußt wurden.
4. Das Wort „Deutsch“.
Das ostfränkische Reich wurde vorwiegend Teutonia „das Teutonische Reich" genannt. In den lateinischen Quellen erschienen in derselben Bedeutung das Wort Germania, Germani, germanicus. Das Wort deutsch erschien zuerst im Jahr 786 in lateinischer Form teodiscus/ teudiscus als Bezeichnung einer Sprache.
Etwas später erschien das Wort teodisca (lingua). Das Wort bedeutete früher „völkisch“, volksmäßige Sprache" vom got. piuda, ahd. diot 'Volk'. D.h. eine beliebige germanische Sprache gegen Latein. Bis weit in die althochdeutschen Zeit hinein wird es nur selten und ausschließlich auf die Sprache angewendet. Erst um 1090 im Frankenreich (Annolied) wird diutisc auf Volk, Land und Sprache angewandt. Es wurde also zum Synonym von Teutonisch. Die 2 heimischen Sprachen des Reiches Teodisca lingua und Lingua Romana wurden einander gegenübergestellt. Das vorher gebräuchliche frencisc wurde durch die romanischen Franken des Westreiches beansprucht.
5. Die Periodisierung der deutschen Sprachgeschichte.
Die deutsche Sprachgeschichte läßt sich in einige Periode gliedern. Die zeitliche Abgrenzung der einzelnen Sprachstufen ist umstritten und uneinheitlich. Es gibt viele plausible Ansätze dazu. Die innersprachlichen Kriterien der Periodisierung sind:
1. Wandel des Sprachkörpers, d.h. Wandlungen im phonologischen System, im Formenbestand in der Wortbildung und Wortschatz. Alle diese Erscheinungen rufen große Veränderungen der Sprache hervor.
2. Wandel in der Existenzform der Sprache. Hier ist es wichtig in welcher Form die Sprache existiert, ob sie in gesprochener Form existiert oder auch ein Schrifttum besitzt.
Außerdem gibt es verschiedene außersprachliche Kriterien (literarische bzw. kulturelle Epochen, Ereignisse) dazu.
Die wichtigsten Sprachperioden sind wie folgt:
Sprachstufe | Zeitraum | Kriterium |
Indoeuoropäisch | ca. 5000 ~ 1500 v. Chr. | - |
Gemeingermanisch | ca. 1500 v. Chr. ~ 500 n. Chr. | 1. Lautverschiebung setzt ein |
Vorliterarische Zeit | ca. 500 ~ 750 | keine schriftlichen Denkmäler |
Althochdeutsch | ca. 750 1050 | 2. Lautverschiebung setzt ein |
Mittelhochdeutsch | ca. 1050 ~ 1350 | Vokalentwicklung: Nebensilbenabschwächung |
Frühneuhochdeutsch | ca. 1350 ~ 1650 | Vokalentwicklung: Diphthongierung schließt ab; soziokulturelle Kriterien |
Neuhochdeutsch | ca. 1650 ~ | soziokulturelle Kriterien |
Im 5. Jh. begann die Entwicklung der deutschen Sprache aus den Germanischen Stammesdialekten. Bis zum 7: Jh. gab es keine schriftlichen Denkmäler. Diese Periode heißt die vorliterarische Zeit. Ungefähr im Jahre 750 begann die schriftliche Überlieferung und von dieser Zeit an beginnt die Geschichte der deutschen Sprache.
Karte.Frankenreich